Der Senior*innenenbericht der Grünen bietet einen umfassenden Einblick in die Herausforderungen älterer Menschen, darunter auch das Thema Einsamkeit. In unserem Artikel im präsentieren wir, die Plattform gegen Einsamkeit und wichtige Aspekte zur Debatte und Lösungsansätze aus ganz Österreich. Lesen Sie hier mehr darüber und die Bedeutung sozialer Verbindungen im Alter.
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Einsamkeit im Alter ist ein komplexes Phänomen, das als subjektiv schmerzhaft empfundener Zustand definiert wird und durch das Fehlen bedeutsamer Sozialkontakte sowie persönliche und situative Faktoren geprägt ist (Peplau & Perlman, 1982). Diese Empfindung kann sich sogar dann auftreten, wenn es Beziehungen in unserem Umfeld existieren. Im Gegensatz dazu beschreibt soziale Isolation eine messbare Beziehungsarmut oder einen Mangel an Kontakten, wie die Größe des sozialen Netzwerks oder die Häufigkeit von Interaktionen. Obwohl nicht zwangsläufig von negativen Gefühlen begleitet, kann sie das Risiko für Einsamkeit erhöhen. Alleinsein hingegen meint die Abwesenheit von anderen Personen, ohne negativ konnotiert zu sein, etwa wenn es sich um einen bewussten Rückzug handelt. Neben der Abwesenheit enger persönlicher Beziehungen kann auch das Fehlen von Unterstützung oder Vernachlässigung durch politische Instanzen mit Einsamkeit in Verbindung gebracht werden (Hertz 2021: 19). Daher gilt die Bewältigung von Einsamkeit und sozialer Isolation als globale gesellschaftliche Herausforderung im Bereich der öffentlichen Gesundheit. Wenn jemand gleichzeitig mit beiden Aspekten konfrontiert ist, kann es für das Umfeld schwierig sein, die Situation zu erkennen und passende Unterstützung anzubieten. Diese Problematik wird dadurch erschwert, dass Einsamkeit ein tabuisiertes Thema ist, das oft mit Scham behaftet ist, obwohl die Mehrheit der Menschen im Laufe ihres Lebens mit diesem Gefühl konfrontiert wird.
Besonders in Lebensabschnitten mit bedeutenden Veränderungen oder einschneidenden Ereignissen, wie dem Eintritt in die Pension, dem Verlust von nahestehenden Personen oder der Mobilität, die Reduktion der Größe des sozialen Netzwerks, Isolierungsmaßnahmen während einer Pandemie oder gesundheitlichen Einschränkungen steigt das Risiko für soziale Isolation und Einsamkeit (Grillich et al. 2023). In Regionen wie Europa, den Vereinigten Staaten, China oder Lateinamerika sind etwa 20-34 % der älteren Bevölkerung betroffen (WHO 2021). Die beträchtlichen Auswirkungen von sozialer Isolation und Einsamkeit auf die Gesundheit älterer Menschen sind durch fundierte wissenschaftliche Erkenntnisse gut dokumentiert. Hochwertige zwischenmenschliche Beziehungen erweisen sich als entscheidender Faktor für die Förderung der mentalen und körperlichen Gesundheit, der Lebenserwartung sowie des Wohlbefindens und der sozialen Teilhabe (Peböck et al. 2021). Dies spiegelt sich beispielsweise in einem erhöhten Risiko für diverse gesundheitliche Probleme wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlaganfälle, Diabetes, kognitiven Abbau, Demenz, Depressionen, Angstzustände und sogar Suizid wider. Forschungsergebnisse belegen, dass die Auswirkungen von Einsamkeit auf die Sterblichkeit vergleichbar mit bekannten Risikofaktoren wie Rauchen, Fettleibigkeit und Bewegungsmangel sind (Holt-Lunstad, 2021). Während ältere Menschen besonders anfällig sind, sollte betont werden, dass die Erfahrung von Einsamkeit keinerlei Altersgrenzen unterliegt.
Während der Pensionierung können Verlustgefühle auftreten, da mit dem Rückzug aus der Arbeitswelt Kontakte oft verloren gehen, was die Aufrechterhaltung von sozialen Verbindungen erschweren kann (Petrich 2011). Globale Trends zeigen, dass immer mehr ältere Menschen allein leben, während intergenerationale Wohnverhältnisse abnehmen. Im Jahr 2018 lebten in Österreich 37 % der Menschen allein, besonders bei den über 65-Jährigen beträgt dieser Anteil 51 %. Aktuelle Ereignisse, wie Lockdowns, haben gezeigt, dass die Situation für alleinlebende Menschen zu Hause noch herausfordernder sein kann als für Pflegeheimbewohner*innen (Grillich et al. 2023). Wohnortbedingte Faktoren wie Infrastruktur und Nachbarschaftsbeziehungen können ebenfalls das Einsamkeitsrisiko beeinflussen, wobei in städtischen Gebieten eine gute Anbindung und Nähe zu kulturellen Angeboten das Risiko mindern können, während im ländlichen Raum starke Nachbarschaftsbeziehungen schützend wirken (Grillich et al. 2023).
Laut Berichten der WHO (2021) empfiehlt es sich, in Zukunft Interventionen auf verschiedenen Ebenen zu entwickeln und umzusetzen: Auf individueller Ebene sollten persönliche oder digitale Interventionen einzeln oder in Gruppen, wie kognitive Verhaltenstherapie, Social Prescribing und nachbarschaftliche Unterstützungsangebote in Betracht gezogen werden. Diese Ansätze fördern individuelle Fähigkeiten und Ressourcen, um soziale Isolation und Einsamkeit wirksam zu bewältigen. Auf kommunaler Ebene ist es essenziell, die Infrastruktur zu verbessern, sei es in Bezug auf Mobilität, digitale Integration, Freiwilligenarbeit oder die Gestaltung der baulichen Umwelt. Die Förderung von altersfreundlichen Gemeinschaften schafft sozial inklusive Umgebungen, die den Austausch und die Interaktion erleichtern. Auf gesellschaftlicher Ebene können Gesetze und politische Maßnahmen eine entscheidende Rolle spielen. Hierbei gilt es, Altersdiskriminierung zu bekämpfen, Ungleichheiten abzubauen und die digitale Kluft zu überwinden. Durch gezielte Maßnahmen werden Grundlagen geschaffen, um soziale Teilhabe und Solidarität zwischen Generationen Menschen nachhaltig zu fördern.
QUELLEN
Hertz, N. (2021): Das Zeitalter der Einsamkeit. Über die Kraft der Verbindung in einer zerfaserten Welt. Hamburg: HarperCollins.
Holt-Lunstad J. (2021): The Major Health Implications of Social Connection. Current Directions in Psychological Science. 30(3): 251-259.
Grillich, L.; Titscher, V.; Klingenstein, P.; Kostial, E.; Emprechtinger, R.; Klerings, I.; Sommer, I.; Nikitin, J.; Laireiter, A.R. (2023). The effectiveness of interventions to prevent loneliness and social isolation in the community-dwelling and old population: an overview of systematic reviews and meta-analysis. European Journal of Public Health, 33:2: 235-241
Peböck, M., Arzt, S., Hagmüller, T., Hartl, S.,Hauck, B., Maier, S., Menges, M., Oelmack, G.,
Pfaunz, S., Rasoly, H., Redl, B., Robatscher, T., Rohrauer, S., Rohrböck, T., Ruhdorfer, A. Weingartsberger, L., Wolf, M., Zahirovi E. (2021): https://www.jku.at/fileadmin/gruppen/120/Publikationen_und_Downloads/Downloads/Publikationen/Lehrforschung_Endberichte/Einsamkeit_im_alter_design_final.pdf
Peplau L. A., Perlman D. (1982): Loneliness: A sourcebook of current theory, research and therapy. New York: Wiley.
Petrich, D (2011): Einsamkeit im Alter. Notwendigkeit und (ungenutzte) Möglichkeiten Sozialer Arbeit mit allein lebenden alten Menschen in unserer Gesellschaft. Jena: Fachhochschule
World Health Organization, International Telecommunications Union, United Nations Department of Economic and Social Affairs (2021): https://www.who.int/teams/social-determinants-of-health/demographic-change-and-healthy-ageing/social-isolation-and-loneliness