Zum Inhalt springen

Einsamkeit bei jungen Menschen – Ein gesellschaftliches & gesundheitliches Thema

Einsamkeit bei jungen Menschen –  

Ein gesellschaftliches & gesundheitliches Thema

Die COVID-19-Pandemie hat das Leben von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen tiefgreifend verändert. Laut dem Bericht „Kinder- und Jugendgesundheit in Wien“ der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) haben sich psychische Belastungen in dieser Altersgruppe deutlich erhöht. Besonders Einsamkeit und soziale Isolation haben sich als zentrale Herausforderungen erwiesen. Die pandemiebedingten Einschränkungen im sozialen Leben verhinderten nicht nur gewohnte Kontakte, sondern beeinträchtigten auch das Training sozialer Fähigkeiten – mit weitreichenden Folgen für die mentale Gesundheit.

Warum sind junge Menschen besonders betroffen?

 




Maßnahmen gegen Einsamkeit

 







Jugendliche befinden sich in einer Lebensphase voller Veränderungen: Schulabschlüsse, Umzüge oder der Start ins Berufsleben können Verunsicherung und Isolation fördern. Studien zeigen, dass diese Lebensphase eine potenzielle Risikophase für Einsamkeit ist, obwohl die Häufigkeit der Einsamkeit individuell variiert. Gleichzeitig verdeutlichen Berichte wie der der Bertelsmann Stiftung, dass 57 % der 18- bis 35-Jährigen in Europa moderat bis stark von Einsamkeit betroffen sind.

Neben den persönlichen Auswirkungen zeigt sich Einsamkeit auch als gesamtgesellschaftliches Problem. Die soziale Isolation Betroffener erschwert die gesellschaftliche Teilhabe und kann sogar extremistische Einstellungen fördern. Laut einer Studie des Progressiven Zentrums besteht ein Zusammenhang zwischen anhaltender Einsamkeit und einer erhöhten Anfälligkeit für populistische Ideologien.

 

Expert*innen betonen, wie wichtig präventive Ansätze und Unterstützungsangebote sind. Effektive Maßnahmen können Einsamkeit und deren negative Folgen reduzieren. Die Meta-Analyse von Masi et al. (2011) hebt insbesondere die Wirksamkeit von Interventionen hervor, die auf die Veränderung negativer Denkmuster abzielen.

Vier Hauptstrategien zur Reduzierung von Einsamkeit:

  1. Verbesserung sozialer Fähigkeiten: Training zur Steigerung der Fähigkeit, soziale Interaktionen erfolgreich zu gestalten.
  2. Erhöhung der sozialen Unterstützung: Maßnahmen zur Stärkung des sozialen Netzwerks und der erhaltenen Unterstützung.
  3. Steigerung der Gelegenheiten für soziale Kontakte: Schaffung von Möglichkeiten für zwischenmenschliche Interaktionen.
  4. Korrektur maladaptiver sozialer Kognitionen: Interventionen, die darauf abzielen, negative Denkmuster und Wahrnehmungen in sozialen Kontexten zu verändern.

Zusätzlich zeigt eine aktuelle Studie von Osborn et al. (2021, Quelle: WHO Social Connection) die Bedeutung maßgeschneiderter Interventionen. Der Erfolg solcher Programme hängt stark davon ab, wie gut sie auf die Bedürfnisse der Zielgruppe zugeschnitten sind.



Beispiele für Good Practice






Hobby Lobby – Freizeitangebote für benachteiligte Jugendliche

In Österreich leben rund 350.000 Kinder und Jugendliche in Armut. Dies führt oft dazu, dass sie von Freizeitaktivitäten und außerschulischer Bildung ausgeschlossen sind. Dies sind jedoch wesentliche Bereiche, um soziale Kompetenzen zu fördern, Interessen zu entwickeln und den persönlichen Horizont zu erweitern. Das Hobby Lobby-Programm setzt genau hier an und bietet Kindern und Jugendlichen aus einkommensschwachen Bezirken in Wien kostenlose Freizeitkurse an. Die Kurse werden von ehrenamtlichen Trainer*innen geleitet und decken ein breites Spektrum an Aktivitäten ab, von kreativen Hobbys bis hin zu sportlichen Angeboten.

Hobby Lobby schafft nicht nur Zugang zu Aktivitäten, die für viele unerschwinglich sind, sondern auch Räume für Begegnung, Austausch und soziale Integration. Diese Maßnahmen wirken präventiv, indem sie:

o   Soziale Kompetenzen stärken: Kinder und Jugendliche lernen, in Gruppen zu arbeiten, Beziehungen zu knüpfen und Konflikte zu lösen.

o   Interessen und Talente fördern: Durch die Vielfalt der Kurse können neue Fähigkeiten entdeckt und weiterentwickelt werden.

o   Horizonte erweitern: Der Kontakt zu anderen sozialen Gruppen und Mentoren gibt den jungen Menschen Perspektiven und Inspiration.

Hobby Lobby ist ein Vorbildprojekt für Prävention gegen soziale Isolation und Einsamkeit. Die enge Zusammenarbeit mit lokalen Schulen stellt sicher, dass das Programm direkt die Zielgruppen erreicht. Besonders wichtig ist der Zugang für benachteiligte Kinder, die durch die Kurse eine Chance auf Teilhabe erhalten.

Hier geht’s zum Wirkungsbericht 2023

YEP - Stimme der Jugend: Unterstützung im Bereich mentale Gesundheit

YEP - Stimme der Jugend setzt sich aktiv für die Verbesserung der mentalen Gesundheit von jungen Menschen in Österreich ein. Das Projekt bietet Jugendlichen eine Plattform, um ihre Sorgen und Wünsche bezüglich ihrer psychischen Gesundheit zu äußern und dabei eine aktive Rolle bei der Entwicklung von Hilfsangeboten zu übernehmen. Über Umfragen und Workshops können die Jugendlichen ihre Perspektiven teilen, und die gesammelten Ergebnisse fließen in einen Jugendbericht ein, der zur Gestaltung politischer Entscheidungen und Programme genutzt wird.

Die Arbeit von YEP fördert die psychische Resilienz der Jugendlichen, indem sie ihnen eine Stimme gibt und ihre Bedürfnisse in den Mittelpunkt stellt. Die Förderung der mentalen Gesundheit trägt zur Verringerung von Einsamkeit, Angst und sozialer Isolation bei und stärkt das Gefühl der Zugehörigkeit und Unterstützung.

YEP geht einen integrativen Ansatz, indem es junge Menschen aktiv in die Entwicklung von Hilfsangeboten und Programmen einbezieht. Diese partizipativen Methoden tragen dazu bei, dass sich Jugendliche gehört fühlen und ihre psychischen Bedürfnisse ernst genommen werden. Das Projekt fördert somit nicht nur die mentale Gesundheit, sondern wirkt auch präventiv gegen die negativen Auswirkungen von Einsamkeit und sozialen Ausschluss. Die Ergebnisse der Programme sind direkt auf die Bedürfnisse der Jugendlichen zugeschnitten und stellen sicher, dass präventive Maßnahmen effektiv und nachhaltig wirken.


„Wie geht es dir?“ Skills für Kopf und Körper – Broschüre zur Unterstützung der mentalen Gesundheit von Jugendlichen

Die „Wie geht es dir?“-Broschüre bietet jungen Menschen in Österreich eine wertvolle Ressource zur Auseinandersetzung mit ihrer mentalen Gesundheit. Sie enthält praxisnahe Informationen, Hilfsangebote und Tipps, um Jugendlichen dabei zu helfen, ihre Gefühle und Sorgen zu erkennen, anzusprechen und zu bewältigen. Die Broschüre ist ein Instrument, das Jugendlichen hilft, ihre psychische Gesundheit zu fördern und bei Bedarf Unterstützung zu finden.

Die Broschüre hat eine präventive Wirkung, indem sie das Bewusstsein für die Bedeutung der mentalen Gesundheit stärkt und Jugendlichen konkrete Schritte zur Selbsthilfe an die Hand gibt. Durch die Bereitstellung von Information und Unterstützung trägt sie zur Verringerung von Einsamkeit und Isolation bei, indem sie jungen Menschen zeigt, dass sie nicht allein sind und dass Hilfe verfügbar ist.

Die Broschüre ist in Wien kostenlos bestellbar unter: www.jugendinfowien.at/broschueren



Social Prescribing in der Primär- und pädiatrischen Versorgung

Social Prescribing ist ein innovativer Ansatz, der darauf abzielt, psychosoziale und emotionale Gesundheitsbedürfnisse von Patient*innen zu erkennen und gezielt anzugehen. In Österreich sind etwa 20 % der Konsultationen in der Primärversorgung auf nicht-medizinische, gesundheitsrelevante Anliegen zurückzuführen, die sowohl bei Patient*innen als auch bei Gesundheitsfachkräften oft zu Frustration führen. Social Prescribing schließt diese Lücke durch die Einbindung spezialisierter Fachkräfte, sogenannter Link Worker, die Patient*innen zu passenden Angeboten und Aktivitäten weiterleiten.

Funktionsweise:

Ärzt*innen oder andere Gesundheitsfachkräfte identifizieren während der Konsultation die sozialen und gesundheitlichen Bedürfnisse der Patient*innen. Anschließend übermitteln sie diese Informationen an einen Link Worker, der entweder in der Einrichtung selbst oder in der Region tätig ist. Gemeinsam mit den Patient*innen erarbeitet der Link Worker individuelle Maßnahmen und vermittelt diese an passende Angebote. Das Spektrum reicht von Gesundheitsförderungsprogrammen, Bewegungs- und Ernährungsangeboten bis hin zu Sozial-, Schuldner- oder Wohnberatung sowie Gemeinschaftsaktivitäten wie Wandergruppen oder Nachbarschaftsnetzwerken.

Das österreichische Bundesministerium für Gesundheit, Soziales, Pflege und Konsumentenschutz unterstützt seit 2021 den Auf- und Ausbau von Social Prescribing. Über Fördercalls wurden 24 Einrichtungen finanziert, um dieses Angebot bis 2024 systematisch weiterzuentwickeln. Ziel ist es, nicht nur die Gesundheitsversorgung zu ergänzen, sondern auch präventiv soziale Isolation und Einsamkeit zu reduzieren.

Social Prescribing entlastet das medizinische System und gibt Patient*innen die Möglichkeit, aktiv zur Verbesserung ihrer Lebensqualität beizutragen. Es adressiert die Ursachen von Gesundheitsproblemen und fördert eine stärkere Vernetzung innerhalb der Gemeinschaft.

Weitere Informationen finden Sie unter: GÖG – Social Prescribing

Weitere Angebote für junge Menschen


Neben spezifischen Programmen zur Bekämpfung von Einsamkeit gibt es zahlreiche Initiativen und Angebote, die junge Menschen unterstützen und soziale Bindungen fördern:

Peer-Support-Programme:

Mentoring- und Unterstützungsprogramme helfen jungen Menschen und Familien, mit Herausforderungen besser umzugehen und soziale Netzwerke aufzubauen:

  • get social - time4friends Peer: Unterstützungsplattform für Jugendliche durch Peer-Beratung.
  • younus.at: Mentoring-Angebote für Kinder, Jugendliche und Eltern.
  • Mental Health First Aid: Pilotprojekt für Peer-to-Peer-Workshops zur Förderung der mentalen Gesundheit bei Jugendlichen.
  • Community & Connectedness: Maßnahmen der Wiener Kinder- und Jugendstrategie zur Stärkung sozialer Netzwerke.

Kommunale Initiativen und sozialräumliche Jugendarbeit:

Initiativen auf lokaler Ebene stärken die Vernetzung und ermöglichen Jugendlichen den Austausch mit Gleichaltrigen:

  • gemma.group: Projekte zur Förderung sozialer Kontakte.
  • oejab.at: Unterstützung durch die Österreichische Jugendherbergsbewegung.
  • jugendzentren.at: Plattform für kommunale Jugendarbeit.
  • wienxtra.at/jugendliche: Freizeit- und Bildungsangebote für Jugendliche in Wien.

Online- und Telefon-Supportangebote:

Junge Menschen können auf digitale & telefonische Unterstützungsangebote zurückgreifen, die ihnen Beratung und Informationen in schwierigen Lebenssituationen bieten:

  • feel-ok.at: Plattform zu gesundheits- und gesellschaftsrelevanten Themen.
  • rataufdraht.at: Telefonischer Rat für Jugendliche in Krisensituationen.
  • jugendinfo.at: Umfangreiche Informationen und Unterstützungsangebote.
  • joinfloat.co: Online-Beratungsplattform für psychische Gesundheit (kostenpflichtig).

Kostenlose Freizeit- und Sportaktivitäten:

Bewegung und gemeinsame Aktivitäten stärken soziale Bindungen und wirken präventiv gegen Einsamkeit:

  • bewegt-im-park.at: Bewegungsangebote in Wiener Parks (Juni–September).
  • naturfreundejugend.at: Outdoor-Aktivitäten für Kinder und Jugendliche.
  • freispiel.or.at: Sport- und Freizeitprogramme in Wien.

Diese vielfältigen Angebote helfen jungen Menschen, soziale Isolation zu überwinden, ihre Fähigkeiten zu stärken und sich besser in die Gesellschaft integriert zu fühlen. Sie sind ein wichtiger Baustein, um Einsamkeit nachhaltig entgegenzuwirken.


Quellen:

Bertelsmann Stiftung. (2024). Einsamkeit junger Menschen im europäischen Vergleich.

Gesundheit Österreich GmbH. (2022). Kinder- und Jugendgesundheit in Wien.

Hobby Lobby. https://www.hobbylobby.co.at/ [19.11.2024]

Holt-Lunstad J. (2021). The Major Health Implications of Social Connection. Current Directions in Psychological Science. 30(3): 251-259.

Jugendinfo. https://www.jugendinfo.at/publikationen/wie-geht-es-dir/ [07.11.2024]

Masi, C. M., Chen, H.-Y., Hawkley, L. C., & Cacioppo, J. T. (2011). "A meta-analysis of interventions to reduce loneliness." Personality and Social Psychology Review, 15(3), 219–266.

Neu, C., Küpper, B., Luhmann, M. (2023). "Extrem einsam? Die demokratische Relevanz von Einsamkeitserfahrungen unter Jugendlichen in Deutschland." Das Progressive Zentrum.

Osborn, T. L., Wasil, A. R., Venturo-Conerly, K., Schleider, J. L., & Weisz, J. R. (2021). "Depression and anxiety symptoms, social support, and demographic factors among Kenyan high school students." Journal of Child and Family Studies, 30(2), 431-441.

Youth Empowerment Participation. https://www.yep-austria.org/mental-health/ [11.11.2024]

Einsamkeit bei jungen Menschen – Ein gesellschaftliches & gesundheitliches Thema
Katrin Weber 14. Januar 2025
Diesen Beitrag teilen
Unsere Blogs
Archiv
WHO Social Connection